Verfasst von: RA Christoph Grimm | 29. Dezember 2013

Anmerkungen zur Weihnachtsansprache des Joachim Gauck

Die diesjährige Weihnachtsansprache des Herrn Bundespräsidenten, Joachim Gauck, bedarf einer besonderen Würdigung.

Nicht etwa deshalb, weil Presse, Rundfunk und Fernsehen dies nicht leisten. Berichtet und kommentiert wird ja überall – nur leider selten mit dem gebotenen Mut zur Distanz. Das besorgen dafür die vielen Lesermeinungen auf den Onlineportalen im Netz. Und die zentrale Botschaft ist dabei so eindeutig, dass man an ihr nicht vorbeikommt.

Sie lautet: Es ist unverständlich, dass der Bundespräsident ausgerechnet bei seinen eigenen Landsleuten mehr Verständnis für Flüchtlinge anmahnt.

Was hat Gauck zum Thema gesagt? Hier die Textstelle im Wortlaut, die den meisten Widerspruch der Online-Leser-Kommentatoren erzeugt hat:

„Die Flüchtlinge, die zu uns kommen, kommen nicht mit der Erwartung, hier in ein gemachtes Bett zu fallen. Sie wollen Verfolgung und Armut entfliehen und sie wollen Sinn in einem erfüllten Leben finden. Machen wir unser Herz nicht eng mit der Feststellung, dass wir nicht jeden, der kommt, in unserem Land aufnehmen können.

Ich weiß ja, dass dieser Satz sehr, sehr richtig ist. Aber zu einer Wahrheit wird er doch erst, wenn wir zuvor unser Herz gefragt haben, was es uns sagt, wenn wir die Bilder der Verletzten und Verjagten gesehen haben. Tun wir wirklich schon alles, was wir tun könnten?“

Das ist mal wieder so ein echter Gauck. Unter partieller Ausblendung der Wirklichkeit wird ein einseitiges Weltbild betrachtet. Dann setzt es pastorale Ermahnungen an das schlechte Gewissen, dürftig verhüllte Vorwürfe und die Aufforderung an das hasenherzige Volk, sich endlich zu bessern.

Was die Leserbriefschreiber dabei, offenbar mehr aus dem Gefühl heraus, vermissen ist, dass auch ihren zunehmenden Sorgen und Ängsten Verständnis zuteil wird, sie selbst Zuspruch und Anerkennung erfahren.

Mit diesem Gefühl liegen sie ganz richtig, denn Gauck verschweigt einiges:

Im weltweiten Vergleich steht Deutschland bei den Zahlen aufgenommener Flüchtlinge hinter Pakistan und dem Iran bereits an dritter Stelle.

Unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Einreise fanden in Deutschland beim Stand Ende 2012 fast 600.000 Menschen Zuflucht. In den USA dagegen waren es nur 260.000.

Im innereuropäischen Vergleich ist Deutschland mit Abstand das Land mit den meisten Flüchtlingsaufnahmen. Selbst, wenn man die Anzahl der aufgenommenen Menschen im Verhältnis zum jeweiligen Bruttoinlandsprodukt vergleicht, bleibt Deutschland mit seiner Hilfe in Europa führend.

Und Amnesty International konstatiert: Mit der Zusage, 10.000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen, ist Deutschland mit Abstand am großzügigsten. Die restlichen 27 EU Mitgliedsstaaten bieten bloß 2.340 Syrern die Zuflucht an.

Vor diesen Tatsachen ist es vor allem Unverständnis gegenüber den eigenen Landsleuten, das Kommentatoren in Gaucks Worten übereinstimmend spüren. Und der Eindruck verfestigt sich: Deutschland kann unter Berücksichtigung des bereits Geleisteten unmöglich die Probleme dieser Welt gerade durch noch mehr Flüchtlingshilfe lösen. Warum versucht Gauck dennoch, diesen Eindruck zu vermitteln, so fragen die Leser. Besonders hämische Kommentare verweisen den Präsidenten gar auf die Geräumigkeit von Schloß Bellevue und den zugehörigen großen Garten.

Es mag ja sein, dass die zu uns kommen, sich nicht in gemachte Betten legen wollen. Aber Gauck will wieder nicht wahrnehmen: Der gute Wille allein hilft leider gar nichts. Es ist die Realität, die dafür sorgen wird, dass viele auf Transferleistungen angewiesen bleiben. Allein 46% der seit 2007 eingewanderten Rumänen und Bulgaren haben keine Berufsausbildung, so ein Kommentar.

Schon im Vergangenen Jahr ist Gauck mit seiner Weihnachtsansprache einschlägig aufgefallen:

“Sorge bereitet uns auch die Gewalt: in U-Bahnhöfen oder auf Straßen, wo Menschen auch deshalb angegriffen werden, weil sie schwarze Haare und eine dunkle Haut haben.”

Die Aussage als solche ist zwar nicht falsch. Ausgeblendet wird mit ihr jedoch ein anderer Teil der Wirklichkeit, den man erst der Kriminalstatistik entnehmen muß.

Gauck ist eine Fehlbesetzung. Nicht wegen seiner Weihnachtsansprachen.

Sein Vorgänger Köhler ging offenbar, weil man ihn unter Druck setzte, das Gesetz zum ersten Griechenland-Rettungspaket zu unterzeichnen. Sein Vorgänger Wulf wurde durchschaubar mittels einer Kampagne des medial-politischen Komplexes deshalb zur Amtsaufgabe gezwungen, weil er das Gesetz über den ESM nicht unterschrieben hätte.

Gauck hat zum ESM unterschrieben.

Wer so etwas tut, den kann man wegen seiner Weihnachtsansprachen dann doch nicht ernsthaft zur Rechenschaft ziehen wollen.

29.12.2013

Christoph Grimm


Antworten

  1. Wer ist Gauck?

    „Der frühere Pfarrer, DDR-Oppositionelle und Mitbegründer des Neuen Forums Hans-Jochen Tschiche hat Joachim Gauck vorgeworfen, mit dem Ticket des Bürgerrechtlers durchs Land zu reisen, aber nie einer gewesen zu sein. ………..“
    „Er ist kein Vater der friedlichen Revolution, sondern er hat sie beendet.“ Mit diesen harschen Worten hat der frühere DDR-Bürgerrechtler Hans-Jochen Tschiche dieser Tage den designierten Bundespräsidenten Joachim Gauck angegriffen. Was Tschiche, ein Urgestein des Widerstands in der DDR, Pfarrer und Mitbegründer des im September 1989 gegründeten „Neuen Forums“, besonders empört: Gauck reise „ohne Skrupel“ auf dem Ticket des Bürgerrechtlers durch die politische Landschaft. Die Äußerungen Tschiches haben eine heftige Debatte ausgelöst – über Gauck, dessen Selbstverständnis und die Frage, was einen Bürgerrechtler überhaupt ausmacht.
    siehe:
    http://www.tagesspiegel.de/politik/der-kuenftige-bundespraesident-war-joachim-gauck-ein-buergerrechtler-/6252756.html

    P.S. Für wen ist er tätig?

  2. […] Beitrag erschien auch auf: eurodaemmerung.wordpress.com […]


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